Subprovenienz 1: Frauengruppe St.Gallen / Frauenbefreiungsbewegung FBB St.Gallen
Subprovenienz 2: Infra Schweiz
Die Infra St.Gallen wird um 1979 von Aktivistinnen der FBB (Frauenbefreiungs-Bewegung) St.Gallen gegründet. Die FBB St.Gallen bezeichnet sich in ihren Anfängen Mitte der 1970er Jahre als "Frauengruppe St.Gallen". Zunehmend beginnen sich einzelne Gruppen mit verschiedenen inhaltlichen Schwerpunkten herauszudifferenzieren, so auch die Infra St.Gallen.
Als erstes geht es um den Aufbau einer Beratungsstelle für von Gewalt betroffene Frauen. Zunächst an der Linsebühlstrasse 3, richtet sich die Infra St.Gallen ab 1979 in der Frauenwohnung an der Löwengasse 3 in St.Gallen ein. Hier treffen sich auch andere Gruppen der FBB, wobei die Infra Verwaltungsfunktionen für die Wohnung überimmt. Neben der Beratung von gewaltbetroffenen Frauen übernimmt die Infra weitere Beratungsfunktionen in den Bereichen Schwangerschaft/Schwangerschaftsabbruch, Trennung/Scheidung, Partnerschaft, Kindererziehung. Die Infra St.Gallen versteht sich nicht als Beratungsstelle im üblichen Sinn. Sie unterscheidet sich von diesen Stellen dadurch, dass Frauen aus ihrer eigenen Erfahrung heraus Wissen an andere Frauen weitergeben und klar Position für die Frau ergreifen. Seit 1985 bezeichnet sich die Infra St.Gallen als "Beratungsstelle von für mit Frauen". Am 5.Juni 1985 gründen 8 Frauen den Verein "Infra St.Gallen". 1987 konkretisiert die Gruppe ihre Informationstätigkeit wie folgt: Frauenaktivitäten, Frauengruppen, Kurse für Frauen, Frauentreffpunkte; ihre Beratungstätigkeit grenzt sie ein auf: Verhütung, Schwangerschaft, Schwangerschaftsabbruch, Trennung/Scheidung, familienrechtliche Probleme.
Ein zentrales Anliegen nicht nur der Infra sondern auch weiterer Gruppen der FBB St.Gallen ist die Einrichtung eines Frauenhauses für gewaltbetroffene Frauen und deren Kinder.
Die Aktivistinnen pflegen den Kontakt zu verschiedenen Frauengruppen und beteiligen sich an politisch-kulturellen Anlässen der FBB St.Gallen. Weitere Arbeitsschwerpunkte sind Öffentlichkeitsarbeit und die Vernetzung mit Infra-Gruppen in der gesamten Schweiz. Seit Mitte der 1980er Jahre bemühen sich die Infra-Frauen um interne Weiterbildungen in den Bereichen Gewalt/Selbstverteidigung, Kommunikation und Anwendung einer frauengerechten Sprache. Das Thema Sprache wird von einigen Infra-Frauen in der "Werkstatt Frauensprache" intensiv bearbeitet.
Im Laufe der 1980er Jahre werden verschiedene Grundanliegen der Infra wie auch der gesamten FBB in einer breiteren Öffentlichkeit diskutiert und Forderungen realisiert. Amtliche Stellen übernehmen z.T. Beratungsaufgaben, die zuvor von der Infra abgedeckt worden waren. Die Gruppe vergrössert sich nicht mehr wesentlich, die Interessen der Aktivistinnen verteilen sich auf andere Themenbereiche. Im Jahr 1992 lösen die 4 verbleibenden Infra-Frauen den Verein auf und kündigen die Frauenwohnung an der Löwengasse 3.
(Quellen: Selbstdarstellungen)
Der Bestand enthält die Namen der folgenden Personen:
Liste 1970er-Jahre: Alexa Margadant-Lindner; Brigitte Bossart; Brigitte Mösli; Elfi Triet-Bachmann; Gabi Hutter; Hannelore Leiva-Böhme; Inge Schindele; Janis Schwarzenbach-Bühler; Regina Kühne; Rita Bühler; Ursi Leemann; Ursula Schegg; Vreni Brunner-Nauer; Vreni Löhrer; Christine Rüegger
Unterzeichnerinnen der Statuten vom 5.6.1985: Claudia Mäder, St.Gallen; Liselotte Berger, Flawil; Rahel Faust-Baumgartner, Mörschwil; Elfi Triet-Bachmann, St.Gallen; Alexa Margadant- Lindner, St.Gallen; Marie-Louise Egli (Hauswirth), St.Gallen; Regina Kühne, St.Gallen; Suzanne Hüttenmoser, St.Gallen (Präsidentin)
Präsidentin 1986: Liselotte Berger, Triesenberg FL
Präsidentin 1987: Suzanne Hüttenmoser, St.Gallen
Präsidentin 1988: Brigitte Mösli, St.Gallen
Präsidentin 1989: Rahel Faust-Baumgartner, Mörschwil
Präsenzliste Jahresversammlung 22.2.1989 (enthält die Vornamen, abgeglichen mit Adressliste Juni 1989 in: AFGO.002/072): Claudia Mäder, St.Gallen; Elvi Triet-Bachmann, St.Gallen (Präsidentin 1990); Erika Trescher-Rippstein, Mogelsberg; Regina Kühne, St.Gallen; Rahel Faust- Baumgartner, Mörschwil; Gertrud Luterbach-Meier, St.Gallen; Liselotte Berger, Triesenberg FL; Suzanne Hüttenmoser, St.Gallen; Cécile Federer Pesendorfer, St.Gallen; Brigitte Mösli, St.Gallen
Überarbeitung: Christina Nanz, Adriana Lusti, 13.06.2023
Bis ins Jahr 2010 verwendete das Archiv für Frauen-, Geschlechter- und Sozialgeschichte bei der Erschliessung ein standardisiertes Klassifikationsschema mit einem vorgegebenen Dezimalsystem für die verschiedenen Kategorien (z.B. 10 = Selbstdarstellungen, 20 = Statuten/Reglemente). Die Seriennummern und -titel, der bis 2010 erfassten Bestände, basieren auf diesem Klassifikationsschema:
Eine weitere Besonderheit der Verzeichnung: Um die Namen von Frauen gezielt zu dokumentieren, wurde in den zuvor verwendeten Findmitteln jeweils ein eigenes Feld („Namenskarte“) definiert. Die Informationen sind nun im Feld „Verwaltungsgeschichte/Biografische Angaben“ zu finden.
Die Verzeichnung folgt dem internationalen Archivstandard ISAD(G).