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Papierbestände
Regionales Unterstützungskomitee der Initiative 3. März - für eine gerechte Vertretung von Frauen und Männern in den Bundesbehörden
Signatur AFGO.033
Entstehungszeitraum 1993 - 2000
Umfang 0.2 m
Provenienz Regionales Unterstützungskomitee der Initiative 3. März - für eine gerechte Vertretung von Frauen und Männern in den Bundesbehörden
Subprovenienz 1: Verein "Frauen in den Bundesrat"
Verwaltungsgeschichte/Biografische Angaben

Zwischen 1940 und 1960 nahmen einzelne Frauen dank Wahl- oder Schulgesetzrevisionen Einsitz in die oberen Schul- und Richterbehörden: Im Kanton Aargau wurde 1942 mit Anny Gerster-Simonett die erste Erziehungsrätin gewählt, 1953 in Basel-Stadt mit Hilde Vérène Borsinger die erste Strafrichterin der Schweiz.
1958 bis 1971 wurden Politikerinnen in die Parlamente und Regierungen jener Kantone und Gemeinden gewählt, die den Frauen mit Schweizer Bürgerrecht das Stimm- und Wahlrecht gewährten. Nach den ersten eidgenössischen Wahlen mit Frauenbeteiligung war der weibliche Teil der schweizerischen Bevölkerung mit 10 Frauen (5%) im Nationalrat vertreten. Aus dem Kanton St.Gallen war es die CVP-Politikerin Hanny Thalmann (1912-2000). 1972 wählte die Bundesversammlung Margrith Bigler-Eggenberger (geb.1933 in Uzwil), SP St.Gallen, zur Ersatzrichterin am Obersten Gericht in Lausanne. Sie war die erste Frau am Bundesgericht.
1983 verwehrte die mehrheitlich bürgerliche Bundesversammlung der von der SP Schweiz offiziell nominierten Lilian Uchtenhagen (SP, Zürich) den Zugang als erste Frau in den Bundesrat und zog ihr Otto Stich (SP, Solothurn) vor. Von Frauenseite äusserte sich vielfältiger Protest.
Seit 1983 werden prozentual mehr Deutsch- als Westschweizerinnen in die eidgenössischen Räte gewählt. Gleichzeitig stieg der Frauenanteil in den rot-grünen Parteien während er bei den bürgerlichen Parteien stagnierte oder nur leicht anstieg.
1984 wurde Elisabeth Kopp-Iklé (FDP, Zürich) als erste Frau in den Bundesrat gewählt. Anfangs 1989 musste gegen die Bundesrätin eine Strafuntersuchung wegen Verletzung des Amtsgeheimnisses eingeleitet werden, im Laufe des Jahres trat sie zurück.
1986 wurde Judith Stamm (CVP , Luzern), die im Alleingang für den Bundesrat kandidiert hatte, nicht gewählt. In den 1990er-Jahren mehrten sich Vorstösse und Aktionen, die die deutliche Untervertretung von Frauen in der Politik thematisieren und ändern wollten.

1990: "Nehmen Sie Platz, Madame" - der Bericht der Eidgenössischen Kommission für Frauenfragen zeigt auf, dass der Frauenanteil in allen Parlamenten noch immer sehr tief ist.
Zwei parlamentarische Initiativen forderten die Einführung von Geschlechterquoten für Bundesrat, Parlament, Bundesgericht und aussenparlamentarische Kommissionen. Der Nationalrat lehnte diese Initiativen 1992 mit Zweidrittelsmehrheit ab. Eine Quoteninitiative im Ständerat wurde ebenfalls abgelehnt.
Die Partei der Arbeit lancierte 1990 das Volksbegehren "Männer und Frauen": In den Behörden von Bund, Kantonen und Gemeinden sollten höchstens 60% der Mitglieder dem gleichen Geschlecht angehören. Die Initiative kam nicht zustande.

1991: Verschiedene Frauenorganisationen lancierten das Volksbegehren "Nationalrat 2000". Die Initiative scheiterte aufgrund zu geringer Unterschriftenzahl.
An der Frauensession vom 7./8. Februar im Nationalrat nahmen die rund 250 Teilnehmerinnen eine Standortbestimmung vor. Sie verabschiedeten eine Resolution mit konkreten frauenpolitischen Forderungen, z.B.: zivilstandsunabhängige Altersrente, gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit, stärkere Frauenvertretung in sämtlichen politischen Gremien, mehr Hausarbeit für Männer, bessere Erwerbsmöglichkeiten für Frauen. Am Frauenstreiktag, am 14.Juni 1991, legten im ganzen Land Frauen ihre Arbeit nieder. Es fanden zahlreiche phantasievolle Aktionen statt. Trotz Frauensession und Frauenstreik ergab sich bei den eidgenössischen Wahlen kein bedeutender Sitzzuwachs.

1993: Rosmarie Bär (Grüne Partei, Bern) verlangt mit einer parlamentarischen Initiative die angemessene Vertretung beider Geschlechter im Bundesrat. Der Vorstoss wurde 1994 vom Nationalrat abgelehnt.
Die Bundesversammlung wählte am 3. März 1993 nicht die von der SP Schweiz offiziell nominierte Christiane Brunner (SP, Genf) in den Bundesrat sondern zog ihr Francis Matthey (SP, Neuenburg) vor. Auf Druck seiner Fraktion lehnte Mathey die Wahl ab. Landesweit kam es zu Protesten gegen die Nichtwahl von Frau Brunner. Die SP-Fraktion stieg mit einer Zweierkandidatur, Christiane Brunner und Ruth Dreifuss, in die zweite Wahlrunde. Ruth Dreifuss (SP, Genf) wurde am 10.März in den Bundesrat gewählt. Während der Wahl demonstrierten vor dem Bundeshaus rund 10'000 Frauen und Männer.

Bereits am 4. März 1993 hatten Nationalrätinnen der Grünen Partei unter dem Arbeitstitel "Initiative 3. März" einen ersten Initiativ-Entwurf vorgelegt. Am 11.März beschlossen sie anlässlich einer Sitzung in Bern eine breit abgestützte und parteipolitisch neutrale Initiative zu lancieren. Die Gründung des Vereins "Frauen in den Bundesrat" erfolgte am 31.3. 1993.
Bildung des "Club der 2500": Die Mitglieder des Clubs verpflichteten sich, mindestens 50 Unterschriften zu sammeln. Die Mitglieder eines Matronats/Patronats-Komitees sicherten eine finanzielle Unterstützung von je mindestens 200.-- zu und verpflichteten sich, mindestens 100 Unterschriften zu sammeln.
Am 6.5.1993 erfolgte die Gründung des Vereins "Regionales Unterstützungskomitee der Initiative 3. März" in St.Gallen.
Am 10.9.1993 erfolgte eine nationale Pressekonferenz zur Lancierung der Initiative "Für eine gerechte Vertretung der Frauen in den Bundesbehörden", die auch "Initiative 3. März" oder "Quoten-Initiative" genannt wurde. Das kantonale Lancierungs-Fest in St.Gallen fand am 23.9.1993 statt.

Die Initiative wurde am 22.3.1995 mit rund 110'000 Unterschriften eingereicht. Das Volksbegehren verlangte einen Anteil von rund 50% Frauen in National- und Ständerat, mindestens 3 Bundesrätinnen, wenigstens 40% Frauen im Bundesgericht und eine ausgewogene Vertretung beider Geschlechter in den Verwaltungen. Der Ständerat weigerte sich, den Vorstoss rasch zu behandeln. Die Verzögerung hatte zur Folge, dass der Schwung des sogenannten "Brunner-Effekts" nicht unmittelbar weitergezogen werden konnte. Kritisiert wurde auch, dass unter diesen Umständen die neuen Regelungen nicht vor den Wahlen 1999 in Kraft treten würden -sofern die Initiative überhaupt Erfolg hätte.
1997 empfahl der Bundesrat die "Quoten-Initiative" ohne Gegenvorschlag zur Ablehnung. Im selben Jahr befasste sich die 1. Öffentlich-rechtliche Abteilung des Bundesgerichts (bestehend aus 7 Männern) mit der Zulässigkeit einer Quotenregelung im Kanton Solothurn. Die Bundesrichter erklärten die Solothurner Volksinitiative "Für eine gleichberechtigte Vertretung der Frauen und Männer in den kantonalen Behörden" ("Initiative 2001") für ungültig. Begründung: Eine solche Regelung verstosse in unverhältnismässiger Weise gegen das Verbot der Geschlechterdiskriminierung und den Grundsatz des gleichen Wahlrechts für alle.
Die auf Bundesebene lancierte "Quoten-Initiative" wurde sowohl vom National- wie auch vom Ständerat abgelehnt. Am 12.März 2000 kam die Initiative zur Abstimmung. 82% Prozent der Stimmenden und alle Stände lehnten die Initiative ab.
(Quellen: Frauen, Macht, Geschichte, Teil 1, Eidg. Kommission für Frauenfragen, 1998; Selbstdarstellungen, Protokolle)

Der Bestand enthält die Namen der folgenden Personen:

Vereinsgründerinnen:
Claudia Friedl, St.Gallen, SP
Pia Hollenstein, St.Gallen, Grüne
Hedi Margelisch, St.Gallen
Annemarie Spirig, St.Gallen

Vorstand 1993:
Margrit Kessler, Altstätten (CVP)
Pia Hollenstein, St.Gallen, Koordinationsfrau (GP, SG)
Liliana Lavagno, St.Gallen (Grüne Liste MUT)
Angelika Greuter (Gewerkschafterin)
Hedi Margelisch

Vorstand 1999:
Pia Hollenstein (Vorsitz); Barbara Gysi (SP, Wil); Susanne Hoare, Margrit Kessler, Liliana Lavagno, Ruth Sonderegger, Ira Stamm

Bestandsgeschichte Die Unterlagen des Regionalen Unterstützungskomitees der Initiative 3. März wurden dem Archiv für Frauen- und Geschlechtergeschichte Ostschweiz im Oktober 2000 von einer ehemaligen Aktivistin übergeben.
Form und Inhalt Der Bestand enthält Selbstdarstellungen; Statuten; Sitzungsprotokolle; Verzeichnisse; Korrespondenzen; Unterlagen zu einzelnen Sachgeschäften; Unterlagen zur Venetzung; Presseperichte; Dokumentationen; eigene und gesammelte Schriften und Publikationen; Kampagnenmaterial.
Er umfasst Dokumente aus den Jahren 1993 bis 2000 in 2 Archivschachteln.
Neuzugänge Eine Nachlieferung erfolgte im Dezember 2000. Es werden keineweiteren Nachlieferungen erwartet.
Zugangsbestimmungen Der Bestand ist im Archiv für Frauen-, Geschlechter- und Sozialgeschichte Ostschweiz ohne Benutzungseinschränkungen einsehbar.
Sprache/Schrift Deutsch
Bearbeiter:in und Zeitraum der Verzeichnung Sabin Schreiber, 7.1.2003
Überarbeitung: Christina Nanz, 15.06.2023
Verzeichnisgrundsätze

Bis ins Jahr 2010 verwendete das Archiv für Frauen-, Geschlechter- und Sozialgeschichte bei der Erschliessung ein standardisiertes Klassifikationsschema mit einem vorgegebenen Dezimalsystem für die verschiedenen Kategorien (z.B. 10 = Selbstdarstellungen, 20 = Statuten/Reglemente). Die Seriennummern und -titel, der bis 2010 erfassten Bestände, basieren auf diesem Klassifikationsschema:

Eine weitere Besonderheit der Verzeichnung: Um die Namen von Frauen gezielt zu dokumentieren, wurde in den zuvor verwendeten Findmitteln jeweils ein eigenes Feld („Namenskarte“) definiert. Die Informationen sind nun im Feld „Verwaltungsgeschichte/Biografische Angaben“ zu finden.

Die Verzeichnung folgt dem internationalen Archivstandard ISAD(G).