Bernadette Gächter war ein Pflegekind und wurde Anfang der 1970er-Jahre zwangssterilisiert. Jahrzehntelang setzte sie sich für die Aufarbeitung und Wiedergutmachung für die Opfer von fürsorgerischen Zwangsmassnahmen ein.
Nach Bernadettes Geburt 1954 wurde die Mutter Marie-Louise Hagger zwangssterilisiert, Bernadette und ihr Bruder, der 1953 zur Welt gekommen war, wurden zur Adoption freigegeben. Bernadette wurde 1955 von einem streng katholischen Ehepaar in St. Margrethen adoptiert. Die leibliche Mutter war seit ihrer Jugend im Kreislauf von erzieherischen, strafrechtlichen und psychiatrischen Massnahmen gefangen. Bernadettes Erziehung war von Anfang an darauf angelegt, dass sie nicht ihrer leiblichen Mutter nachschlagen soll: bereits mit sieben Jahren wurde erstmals eine psychopathologische Untersuchung angeordnet. 1971 wurde sie in die Psychiatrische Klinik Münsterlingen eingewiesen. Als sie mit 18 schwanger wurde, beschlossen Ärzte gegen ihren Willen, eine Abtreibung sowie Sterilisierung durchzuführen. Das dafür erforderliche Gutachten von der Psychiatrischen Klinik Wil verwies auf die Veranlagung der Mutter und empfahl aus eugenischen Gründen den Schwangerschaftsabbruch und die Sterilisation. In der Folge wurde sie nochmals in Psychiatrische Kliniken eingewiesen.
Bernadette Gächter versuchte später, mit ihrem Mann, den sie 1974 geheiratet hatte, schwanger zu werden und die Sterilisation rückgängig zu machen. Dafür musste sie 1977 nochmals Untersuchungen und Gutachten in der Psychiatrischen Klinik Wil über sich ergehen lassen. Der Eingriff blieb jedoch erfolglos. Auch die leibliche Mutter konnte sie nicht mehr treffen: sie starb 1990, kurz vor der vereinbarten Begegnung mit der Tochter. 1983 war der halbdokumentarische Film "Das ganze Leben" über Marie-Louise Hagger erschienen.
1990 meldete sich Bernadette Gächter bei der WOZ. Sie wollte ihre Lebensgeschichte erzählen und anfangen, die Akten bei den verschiedenen Institutionen zu sammeln. Mit Unterstützung der WOZ-Journalist*innen versendete sie zahlreiche Anfragen um Akteneinsicht. 1991 erschien der Artikel in der WOZ von Marianne Fehr, der zu einer verstärkten Auseinandersetzung mit dem Thema der fürsorgerischen Zwangsmassnahmen beitrug.
In den folgenden Jahrzehnten sammelte Bernadette, nun mit Unterstützung von Rechtsanwälten, die umfangreichen Akten zusammen. 2006 schrieb die Journalistin Jolanda Spirig das Buch "Widerspenstig" über ihre Lebensgeschichte. Bernadette Gächter engagierte sich für die Aufarbeitung und Wiedergutmachung für die Opfer von fürsorgerischen Zwangsmassnahmen: sie sprach in Radio und Fernsehen, hielt 2011 eine Rede beim Sozialausschuss des Europarats in Paris, erhielt 2013 den Prix Courage vom Beobachter. Anfangs war sie beim Runden Tisch für die Opfer von fürsorgerischen Zwangsmassnahmen und Fremdplatzierungen dabei, zog sich jedoch zurück. 2022 verstarb sie.
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