Die Zeitschrift "Roter Gallus" erschien erstmals im Juni 1970. Sie wurde von einem Redaktionskollektiv aus dem Umfeld der "Basis-Gruppe", der "Sozialistischen Arbeiter, Lehrlinge, Schüler und Studenten", der "Sozialistischen Hochschulgruppe" und dem "Kritischen Seminar" herausgegeben. Diese trafen sich regelmässig in einer Wohnung in der Liegenschaft Schwertgasse 3 zu Diskussions- und politischen Schulungsveranstaltungen. In der Zeitschrift griffen sie Themen wie den Vietnamkrieg, den Imperialismus, das Rechtsbürgertum und das gesellschaftliche Establishment auf.

Im Dezember 1970 leitete das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement eine Strafuntersuchung gegen die Zeitschrift ein. Grund dafür war ein Artikel in der 2. Ausgabe des Roten Gallus vom August 1970. Ein darin verwendetes Zitat des deutschen Dichters und Nazi-Opfers Wolfgang Borchert ("Dann gibt's nur eins: Sag Nein!") interpretierten die Behörden als Aufruf zur Dienstverweigerung. Im Januar 1971 durchsuchten vier Detektive die Wohnung der Basisgruppe. Untersuchungsrichter Heinz Voigt klagte im Februar drei Angeschuldigte an.

Am 16. November 1971 fand am Bezirksgericht St. Gallen der erste Prozess gegen den Roten Gallus statt. Das Bezirksgericht sprach die drei Angeklagten frei. Gegen dieses Urteil erhob die Bundesanwaltschaft Berufung, die am 20. November 1972 vom Kantonsgericht abgewiesen wurde. Anschliessend erhob die Bundesanwaltschaft eine Nichtigkeitsbeschwerde, worauf der Fall zur Neubeurteilung ans Kantonsgericht zurückkam. Am 24. Oktober 1973 wurde ein Angeklagter wegen "Aufforderung und Verleitung zur Verletzung militärischer Dienstpflichten" zu einer Woche Gefängnis verurteilt, die beiden Nebenangeklagten wurden freigesprochen.
(Quelle: Rosenbaum, Harry: Operation "Roter Gallus". Von der unheiligen Allianz zwischen Militär und Justiz im Kalten Krieg, in: Aufbruch. Neue Soziale Bewegungen in der Ostschweiz, 156. Neujahrsblatt, St. Gallen 2016, S. 51-56)